Nachhall

26.07.2021

Wir haben den Autor Akın E. Şipal eingeladen, die digitalen Veranstaltungen von BUILDING CONVERSATION RHEIN-NECKAR zu begleiten. Im Nachgang zu jeder digitalen Conversation wird seine ganz persönliche Reflexion über die Teilnahme am Gespräch hier im Blog zu lesen sein.

In "Nachhall" geht es um das Unmögliche Gespräch über Gemeinschaft vom 15. Juli 2021. 

Nachhall

Zoom-Meetings werden seltener, denke ich, als ich meinen Laptop am Strom anschließe und auf ein paar Bücher stelle. Die Kacheln ploppen auf. Blicke. Wohin schauen? Einfach irgendwas kritzeln. Auf die Blätter, die eigentlich blank sein sollen für die Performance. Eine Minute, zwei Minuten … Teilnehmer*innen fehlen. Die Gemeinschaft lässt auf sich warten. Das unmögliche Gespräch über Gemeinschaft sollte wohl nicht damit beginnen, dass ein paar Leute kurzfristig absagen. Später denke ich: was für ein Schwachsinnsgedanke; wieder so ein idiotischer Perfektionismus … ich projiziere mein unscharfes Ideal von Gemeinschaft auf die Performance. Ich bin ein bisschen enttäuscht, sonst waren immer mehr Leute da. Schreibe ein Erlebnis auf im Zusammenhang mit Gemeinschaft (oder so ähnlich). Gesagt, getan. Vorgelesen auch. Schreibt über das Gehörte. Kein Problem, ich kenne das Prozedere, ich habe einige unmögliche Gespräche hinter mir, ich weiß, dass sie immer anders sind, aber ich in diesem Moment denke ich: kenn ich alles schon … und wieder der Gedanke: schade, ein paar mehr Leute, das wäre gut gewesen …

Es passiert nicht schlagartig, eher ist da eine Idee, die am Horizont meiner Hirnrinde aufzieht, eine Idee wie: "wir sind eine Schicksalsgemeinschaft." Plötzlich werde ich wach und denke, "ja, wir werden JETZT eine Gruppe" … es passiert gerade: wir gehen aufeinander zu und ein, unsere Wortbeiträge fließen zusammen, ein Mäander … es ist unaufhaltsam.

Gemeinschaft entsteht einfach, nicht einfach im Sinne von unkompliziert, eher im Sinne von: es passiert wieder und wieder … selbst wenn man nicht dran glaubt. Manchmal reichen ein, zwei Blicke, es ist ein bisschen wie Verliebtsein, nur schwächer, aber nicht weniger wichtig … man verbündet sich — egal ob für immer oder nur mal schnell, wie beim Regen, wenn man sich unter ein Dach flüchtet und einander Zigaretten anmacht … wieder so ein romantisches Bild, ich rauche doch nicht mehr. Naja, egal, aber dieses Gefühl eben …

Am Anfang war ich skeptisch. Nicht weil ich ein Problem mit dem Begriff "Gemeinschaft" hatte, eher aus einer Laune heraus, jetzt umhüllt mich unweigerlich dasselbe milde Lächeln wie die anderen Teilnehmer, Gemeinschaft ist ein Geist, der sich von Zwischenmenschlichkeit nährt. Dass das einschließt, dass er beizeiten auch ein unsoziales Wesen ist, eine zerstörerische Gemeinschaft … klar. Aber nicht heute, nicht hier …

Wir verabschieden uns voller Wohlwollen. In den nächsten Tagen hallt die Gemeinschaft nach, auch wenn wir uns nicht wieder sehen sollten, die Vorstellung eines immer währenden zarten, kaum zu bemerkenden Nachhalls dieses einen Abends, werde ich nicht los.

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